Junge Welt Nr. 135/ Sonnabend/Sonntag 10./11.Juni 1989
Kongreß der Volksdeputierten abgeschlossen
Michail Gorbatschow hielt Schlusswort
Der Kongreß der Volksdeputierten hat am Freitag in Moskau die Diskussion über die Hauptrichtungen der Innen- und Außenpolitik der UDSSR beendet und im Grundsatz einem entsprechenden Beschluß zugestimmt, dessen endgültige Fassung Präsidium und Redaktionskommission ausarbeiten sollen.
In einem Schlußwort zog Michail Gorbatschow eine Bilanz der ersten Sitzungsperiode des höchsten Machtorgans der Sowjetunion, das sich am 25. Mai konstituiert hatte. Der Kongreß, so sagte er, habe gewaltige Möglichkeiten für die kollektive Suche nach Lösungen zur Beschleunigung der Umgestaltung und der sozialökonomischen Entwicklung eröffnet. Gorbatschow bekäftigte in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit der konsequenten Verwirklichung der ökonomischen Reform. Weiter erklärte Gorbatschow, die Lösung aller der vor der sowjetischen Gesellschaft stehenden Fragen müsse im Rahmen der sozialistischen Gesellschaftsordnung auf dem Weg der Demokratisierung, der Offenheit und der breiten Erörterung aller Probleme gesucht werden.
Zu auf dem Komgress geäußerten Befürchtungen hinsichtlich der Konzentration der Partei- und Staatsmacht in seinen Händen erklärte Gorbatschow, als Kommunist lehne er kategorisch Anspielungen auf die Möglichkeit der übermäßigen Macht auf sich ab. Er werde all seine Kraft für die Festigung der Demokratie einsetzen. Entschieden wies Gorbatschow Angriffe auf die Partei zurück, wie sie auf dem Kongress zu hören gewesen seien. Es sei gerade die KPDSU, so sagte er, die als Initiator der Umgestaltung und der radikalen Erneuerung auftrat. Auf die in zwei oder drei Diskussionsreden vertretene Auffassung eingehend, daß angeblich „bei einer Abwesenheit Gorbatschows ein Umsturz geschehen kann“ , sagte der Redner, es bestehe keinerlei Gefahr von Umstürzen oder irgend etwas ähnlichem. Er rief dazu auf, mit den Gerüchten, um diese oder jene Parteiführer Schluss zu machen.
In seinem Appell an die Völker der Welt übernimmt der Kongreß die Verpflichtung, für die strikte Befolgung der Prinzipien der friedlichen Koexistenz gegenüber allen Staaten und Völkern zu wirken. Für unzulässig wird jede Form der Gewaltanwendung und -androhung erklärt. (ADN/JW)

Junge Welt vom 10./11. Juni 1989